Donnerstag, 27.06.2019

Tumorentfernung ohne Operation

Die Klinik für Gastroenterologie, Interventionelle Endoskopie, Endokrinologie, Onkologie, Hämatologie, Nephrologie, Infektionskrankheiten und Palliativmedizin – kurz: Medizinische Klinik I - des St. Bernhard-Hospitals Kamp-Lintfort, setzt nun eine neue Methode zur Tumor-Entfernung bei Magen- und Zwölffingerdarm-Geschwulsten ein. Als eines der ersten Krankenhäuser Deutschlands können die Ärzte hier Tumore auch ohne Operation entfernen. „Das geht durch ein spezielles endoskopisches Verfahren“, erläutert Chefarzt Dr. Theodor Heuer. Er setzt dieses Verfahren gemeinsam mit seinen Chefarzt-Kollegen Prof. Dr. Gernot Kaiser ein. Dieser ist für die Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie verantwortlich. Der erste Patient, bei dem dieses neue Verfahren eingesetzt wurde, war Reinhard Ulbrich aus Viersen.

v.l. Dr.med. Theodor Heuer, Reinhard Ulbrich und Dr. med. Ulrich Bauser.

Der 68-Jährige kam auf Anraten seines Hausarztes ins St. Irmgardis-Krankenhaus Süchteln. Gemacht werden sollte eine Magenspiegelung, allerdings hatte er „Aufstoßen, aber keine großen Beschwerden“, wie Reinhard Ulbrich erzählt. Bei dieser Untersuchung entdeckte Dr. Ulrich Bauser, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin, Gastroenterologie und Onkologie, eine Schleimhautveränderung im Dünndarm, die ihm nicht gefiel. Obwohl die ersten Proben unauffällig waren, empfahl Ulrich Bauser eine zweite Spiegelung mit Proben-Entnahme in einer deutlich tieferen Schicht.

Dieses Mal gab es einen Befund – es war ein noch gutartiger Tumor, der zur Sicherheit entfernt werden sollte. Ulrich Bauser zeigte seinem Patienten die Alternativen auf: ruhig warten und beobachten oder den Tumor zu entfernen. Und erzählte Reinhard Ulbrich von einem neuen endoskopischen Verfahren, das sein Kollege, Dr. Theodor Heuer in Kamp-Lintfort, einsetzen würde. Hier könnte der Tumor – ähnlich wie bei einer Magenspiegelung – ohne Operation entnommen werden.

Reinhard Ulbrich fuhr also nach Kamp-Lintfort und beriet sich mit Theodor Heuer. Dieser klärte ihn umfangreich über das neue Verfahren auf. Nach Darmreinigung und dem Durchschwimmen einer Videokapsel, die überprüfen sollte, ob sich weitere Tumore noch an anderen Stellen angesiedelt hatte, ging es los. „Nur Mut, es klappt schon“, scherzte Theodor Heuer mit seinem Patienten vor dem Eingriff. Und der klappte tadellos. Bereits nachmittags konnte Reinhard Ulbrich im schönen Park des Krankenhauses spazieren gehen. Auch die überprüften Blutwerte zeigten deutlich, dass er die Tumor-Entfernung gut überstanden hatte.

Endoskopische Entfernungen von gut- und bösartigen Tumoren im Magen-Darm-Trakt haben in Kamp-Lintfort bereits eine lange Tradition. „Das Endoskop ist ein biegsamer Gummischlauch, an dem eine Linse mit Vergrößerungsmöglichkeit angebracht ist. Mit ihr kann man das Innere von Körperhöhlen, beispielsweise Magen und  Darm, untersuchen. Mit Spezialinstrumenten, die in das Endoskop eingeführt werden, lassen sich auch Gewebeproben ent- und kleinere Eingriffe vornehmen“, macht Theodor Heuer die Arbeitsweise dieses Gerätes deutlich.

Bereits vor dieser neuen Entwicklung wurden vielen Patienten durch die unterschiedlichen endoskopischen Verfahren größere Operationen erspart. „Der überwiegende Teil der Tumore wächst innerhalb der Schleimhaut. Wir entfernen in diesen Fällen endoskopisch die komplette Schleimhaut - und ersparen dem Patienten so eine Operation“, sagt Theodor Heuer. Bei Tumoren im Dickdarm, die die gesamte Wand betreffen, wird endoskopisch die vollständige Darmwand entfernt. Das ist seit Jahren eine von Theodor Heuer erfolgreich durchgeführte Methode.

Nun wird eine neuartige endoskopische Variante auch im Bereich des Magens und des Zwölffingerdarms, also im oberen Gastrointestinal-Traktes, eingesetzt. „Durch einen speziellen Geräteaufsatz wird bei einem Tumor im Rahmen einer Magenspiegelung die komplette Magenwand des betroffenen Bereiches in eine Kappe hineingesaugt. Das funktioniert mit Tumoren bis  zu zweieinhalb Zentimeter Größe. Das Geschwulst wird entfernt und die verbliebenen Ränder mittels Titanclips gerafft. Nur durch dieses Verfahren kann diesen Patienten eine Operation erspart werden“, erklärt Theodor Heuer.

Die eigentliche Untersuchung wird in einer milden Narkose durchgeführt und dauert kaum länger als eine normale Magenspiegelung. Nach der Tumorentfernung wird der Patient noch einen Tag im St. Bernhard-Hospital überwacht. Auch bei Reinhard Ulbrich war das so. Bereits zwei Tage später nahm der Viersener an einer Tagung im Sauerland teil. „Es ging mir einfach gut“, berichtete er. „Als wenn nichts gewesen wäre.“