Kamp-Lintfort. Derzeit warten rund 12.000 Menschen in Deutschland auf ein Spenderorgan, das ihnen mehr Lebensqualität oder sogar mehr Lebenszeit schenkt. Sie warten und hoffen auf ein gesundes Herz, eine funktionierende Lunge oder eine intakte Niere – zu oft leider vergebens. Denn täglich sterben im Durchschnitt drei dieser wartenden und hoffenden Menschen, die auf ein fremdes, aber lebensrettendes Organ angewiesen sind, um weiterleben zu können. Und das müsste nicht sein, findet Dr. Gero Frings.
Der Chefarzt der Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin am St. Bernhard-Hospital Kamp-Lintfort und Experte der St. Franziskus-Stiftung Münster setzt sich seit rund 30 Jahren für die Organspende in Deutschland ein und möchte auch am bundesweiten Aktionstag am 7. Juni auf das Thema aufmerksam machen. „Bei meiner Arbeit auf der Intensivstation habe ich erlebt, wie wertvoll es sein kann, wenn Patientinnen und Patienten von einer Organspende profitieren“, sagt Dr. Frings, der auch als transplantationsbeauftragter Arzt im Krankenhaus tätig ist.
Dokumentierter Patientenwille ist entscheidend
In dieser Funktion ist er gemeinsam mit seinem Pendant aus der Pflege, Svenja Kalscheuer und der Oberärztin Dr. med. Nina Heuwing, für die Erkennung von potenziellen Spendern auf der Intensivstation zuständig – eine anspruchsvolle und verantwortungsvolle Aufgabe, wie er sagt. Schließlich ginge es um nicht weniger als Leben und Tod. So kann der Verdacht eines irreversiblen Hirnfunktionsausfalls mit Verlust und Trauer auf der einen Seite, gleichzeitig aber auch mit neuer Hoffnung auf ein möglicherweise lebensrettendes Spenderorgan auf der anderen Seite verbunden sein. Die entscheidende Rolle spielt dabei der dokumentierte Patientenwille. „Erst bei eindeutig dokumentiertem Willen zur Organspende, etwa durch einen Spenderausweis oder Eintrag im Organspende-Register, können wir die notwendigen Schritte einleiten und eine Transplantation überhaupt möglich machen“, sagt er.
Leider ist genau dieser dokumentierte Patientenwille in den meisten Fällen, in denen eine Organspenden infrage käme, nicht klar hinterlegt. „Wir erleben dann, dass Angehörige die Organspende ablehnen“, berichtet Dr. Frings und beschreibt damit eine widersprüchliche Situation, wie sie nicht selten in Deutschland vorkommt. Denn laut dem Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit (BIÖG) spricht sich eine große Mehrheit von rund 80 Prozent der Bevölkerung für die Organspende aus, während nur ein Bruchteil einen eigenen Spenderausweis besitzt. „Für viele ist der Gedanke an den eignen Tod etwas Unangenehmes, mit dem man sich nicht gerne auseinandersetzt. Dabei nimmt man durch einen klar formulierten Patientenwillen auch seinen Angehörigen eine große Last von den Schultern, wenn sie in einer belastenden Situation eine schwierige Entscheidung treffen müssen.“
Organspende-Register: 315.000 Eintragungen in mehr als einem Jahr
Neben dem Organspende-Ausweis gibt es mit dem neuen, bundesweiten Organspende-Register seit dem Jahr 2024 eine zweite Möglichkeit der Dokumentation. „Jeder kann sich im Online-Register mit seinem maschinenlesbaren Personalausweis oder mit seiner Krankenkassenkarte einfach und unkompliziert selber eintragen und auch wieder löschen“, sagt Dr. Frings. Das Register auf www.organspende-info.de gibt es seit März letzten Jahres, inzwischen haben sich rund 315.000 Menschen eingetragen – ein Erfolg, aber leider auch nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Denn immer noch werden in Deutschland mehr Organe aus dem Ausland zur Transplantation importiert als im eigenen Land gespendet. Daher plädiert der Mediziner für eine Lösung, die bereits in vielen anderen europäischen Ländern, wie Österreich, Italien, Spanien, Holland und Kroatien, zu einem deutlichen Anstieg von Organspenden geführt hat: Die Widerspruchsregelung.
Mehr Organspenden durch Widerspruchsregelung
Nach ihr gilt jeder Mensch ab seiner Geburt als Organspender und besitzt diesen Status so lange bis er ihn selbst aufhebt. „Die Widerspruchsregelung entspricht viel mehr der Haltung einer großen Mehrheit zu diesem Thema“, sagt Dr, Frings. „Dort, wo sie bereits seit Jahren umgesetzt wird, gibt es vergleichsweise wenig Widersprüche und deutlich mehr Organtransplantationen.“ Solange diese Lösung noch nicht in Deutschland gilt, wirbt der Mediziner für das Online-Register und den Spenderausweis. „Es gibt für die Organspende keine Altersgrenze. Wir erleben, dass auch Organe eines über 80-jährigen Spenders einem oder sogar mehreren jüngeren Menschen neue oder längere Leben ermöglichen können“, so Dr. Frings.
Dr. Gero Frings, Experte der Franziskus Stiftung am St. Bernhard-Hospital Kamp-Lintfort
- Dr. Gero Frings ist Mitglied einer Arbeitsgruppe des NRW-Gesundheitsministerium, die sich mit der Organspende befasst, Vorsitzender der Arbeitsgruppe der Transplantationsbeauftragten der Ärztekammern in NRW und Mitglied der Ständigen Kommission der Bundesärztekammer.
- Als wissenschaftlicher Beirat engagiert er sich bei der „Selbsthilfe Transplantierter NRW e.V.“ und im „Netzwerk Organspende NRW e.V.“
- Für die Ärztekammern Westfalen-Lippe und Nordrhein ist er entsendetes Mitglied im Landes-Fachbeirat der DSO (Deutsche Stiftung Organtransplantation) NRW.
- Als Mitglied der Sektion „Organspende/Transplantationsmedizin“ der DIVI (Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung Intensivmedizin) entwickelt er mit weiteren Experten bundesweite Netzwerkstrukturen zur Förderung der Tätigkeit pflegerischer und ärztlicher Transplantationsbeauftragter.
- Er war zudem einer der Hauptautoren des Initiativplans der Bundesregierung zur Förderung der Organspende in Deutschland und hat im Rahmen seiner Gremientätigkeiten an der Einführung des bundesweiten Organspende-Registers mitgewirkt.